Trauer braucht Raum – nicht Perfektion

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Wie wir lernen, Verlust natürlicher zu leben

Der November riecht nach nassem Laub und nach Erde. Es ist diese Zeit, in der alles ein bisschen stiller wird. Auf den Friedhöfen liegen Trauergestecke, und Kerzen leuchten nachts auf den Gräbern. Für mich ist die Zeit der Erinnerung und der Dankbarkeit. Für manche fühlt es sich an, als wären sie plötzlich wieder mitten in dem, was sie längst hinter sich lassen, wollten.

Mich beschäftigt schon länger, wie verkrampft wir mit Trauer umgehen. Über praktische Dinge nach dem Tod spricht man sowieso nicht, das ist pietätlos. Es gibt keinen normalen Alltag danach, zumindest nicht sofort.

Einfache, ehrliche Sätze, die so guttun würden – und die doch kaum jemand ausspricht: "Ich bin da.“ „Ich denke an dich.“ Mehr braucht es manchmal gar nicht. Wir reden so viel über alles – nur bei Trauer verkrampfen wir. Und sagen selten das, was wirklich guttut.

"Sehr geehrte Trauergemeinde“ – bei einer kleinen familiären Trauerfeier. Eine Ansprache für Angehörige, die traurig dasitzen, eng beieinander – und doch ist irgendwie jeder für sich allein. Es klingt, als müsste selbst der Schmerz noch höflich verpackt werden. Man bleibt im richtigen Ton, in gedämpfter Stimme, in der stillen Schwere. Und wehe, jemand lächelt. Wehe, jemand wirkt gefasst.

Aber ehrlich: Genau das macht alles so anstrengend. Da ist nicht nur der Verlust, sondern auch noch dieses Gefühl, dass man auch die Trauer „richtig“ leben muss.

Sechs Wochen und ein Blick, der alles sagt

Ich erinnere mich an meine Oma. Sechs Wochen nach dem Tod meines Opas wollte sie mit uns auf den Dorfmarkt gehen. Frische Luft, zwischen den Ständen bummeln, einfach raus. Und dann trafen wir eine Nachbarin mit einem Blick, den wahrscheinlich einige von Menschen aus der Nachbarschaft kennen und dem Satz:

„Das habe ich mir gedacht, dass du auf den Markt gehen musst.“

Ich werde diesen Satz nie vergessen und auch nicht, wie es meiner Oma damit ging. Sie wollte doch nur einen Moment lang normal leben. Und diese Normalität hat doch nichts damit zu tun, dass man weniger um einen Menschen trauert.

Das unausgesprochene Drehbuch der Trauer

Wir sind so streng miteinander, wenn es um Trauer geht. Es gibt dieses unausgesprochene Drehbuch: erst weinen, dann stillhalten, irgendwann lächeln – aber bitte leise. Dabei läuft das Leben längst weiter. Nur wir versuchen, es festzuhalten, damit niemand denkt, wir wären zu schnell über etwas hinweg.

Es gibt so viel Unsicherheit, wie man sich richtig verhalten soll – und die Angst, dabei „falsch“ zu trauern. Wir übernehmen Rituale, die gar nicht zu uns passen. Schwarze Kleidung, ernste Gesichter, diese überladenen Trauerhallen mit Plastikblumen und grauem Marmor – manchmal sieht das eher nach Pflicht als nach Abschied aus.

Ich weiß nicht, wie Trauern „richtig“ geht – ich mache es so, wie es sich für mich richtig anfühlt. Das beinhaltet auch, dass eine Trauerfeier anders gestaltet sein kann, als es "üblich" ist. Eben auf meine oder auf unsere Weise oder so wie es sich der Verstorbene gewünscht hat.

Wenn Erinnerung einfach vorbeikommt

Ich denke oft an die letzten Tage mit meinem Vater. Meine Mutter und ich waren jeden Tag im Krankenhaus. Wir wussten, dass es zu Ende geht. Diese Mischung aus tiefem Schmerz und der Erleichterung, dass das Leiden zu Ende geht – sie lässt sich kaum beschreiben. Das hat mir auch Angst gemacht. Wie kann da Erleichterung sein, wo ich doch so sehr wünschte, dass alles wäre nur ein böser Traum.

Noch heute, fast vier Jahre später, taucht die Erinnerung manchmal auf. Ohne Ankündigung, einfach so – und plötzlich ist alles wieder da. Anders da. Leiser. Fast freundlich. Und in mir dieses Gefühl: Es ist gut. Nicht, weil es leicht war. Sondern, weil das Leben eben so ist. Es geht seinen Weg – unaufhaltsam, manchmal schmerzhaft, manchmal zärtlich. Wir werden geboren, wir verlieren, wir lieben, wir sterben. Und irgendwie fügt sich alles in dieses große Ganze ein.

Und vielleicht wäre vieles leichter, wenn wir aufhören würden, sie zu kontrollieren. Wenn wir einfach sagen könnten: Heute geht’s, morgen nicht. Heute weine ich, morgen lache ich. Beides gehört dazu.

Wenn Trauer warm und lebendig ist

Ich mag, wie andere Kulturen das machen. In Mexiko feiern sie ihre Toten mit Blumen, Musik und Essen. In Irland erzählt man bei der Totenwache Geschichten, trinkt Whiskey, lacht gemeinsam. Da ist Trauer nicht still und grau, sondern warm und lebendig. Eine Verbindung zwischen denen, die gehen, und denen, die bleiben.

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Etwas löst sich – aber noch nicht ganz

Vielleicht brauchen wir keine völlig neuen Rituale – wir können auch die alten anders leben und offen für neues sein. Die Bestattungskultur ist längst im Wandel. Es gibt persönlich gestaltete Trauerfeiern, Friedwälder, neue Formen der Beisetzung, besonders in Rheinland-Pfalz. Immer mehr Menschen wünschen sich etwas, das zu ihnen passt, das wärmer ist, ehrlicher, näher am Leben. Und doch spürt man: Das Alte ist noch da. Die gewohnten Abläufe, die starren Vorstellungen, die Angst, „was die Leute sagen“. Es ist, als würde sich etwas lösen – aber noch nicht ganz.

Trauer hat viele Gesichter

Der November bleibt dunkel, das lässt sich nicht ändern. Aber das Leben selbst muss nicht schwer bleiben. Wir dürfen traurig sein, ohne im Schmerz zu versinken. Wir dürfen erinnern, ohne zu erstarren. Und wir dürfen weitergehen, ohne etwas zu verraten. Trauer hat viele Gesichter. Jedes ist richtig.

Und manchmal, wenn wir gar nicht damit rechnen, fühlt sich das Leben wieder leicht an. Nur für einen Moment – und doch genug.

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